Moleküle machen Gefühle – über besseres Selbstmanagement

Kerstin Walkert
Kerstin Walker, veröffentlicht am 22. Januar 2019
Manager Corporate Communications / redaktionelle Leitung Bauer Media Blog

Schneller, besser, erfolgreicher? Wer sich mit Selbst- und Zeitmanagement unter neurobiologischen Gesichtspunkten beschäftigt, wird ausgeglichener und zufriedener. Zeit- und Selbstmanagement basieren weniger auf Disziplin und To-do-Listen als auf dem Wissen über die chemischen Zusammenhänge im Körper. Selbst mit geringem Aufwand lässt sich die eigene Effizienz deutlich verbessern.

Ein Gastbeitrag von Dr. Sebastian Spörer, Trainer für biologische Personalentwicklung

Behalten Sie Ihren Glukosespiegel im Blick

Ein ausbalancierter Glukosespiegel im Gehirn ist die Basis für gelungenes Selbstmanagement. Im Gehirn sollte ausreichend Glukose für die wichtigen Aufgaben des Tages zur Verfügung gestellt werden. Denn je schwankungsärmer unser Glukosespiegel ist, desto mutiger sind wir.

Ein spannender Versuch, der diese These belegt, kommt aus Israel: Richter, die um 8 Uhr morgens urteilten, trafen mutigere Entscheidungen als Vorsitzende, die ihre Urteile um 16 Uhr fällten. Gemessen wurde dies an der Härte ihrer Entscheidungen. Je früher der Tag, desto häufiger wurde zugunsten des Häftlings entschieden. Je später der Tag, desto eher wurde das Urteil zu dessen Lasten gefällt.

Die Ursache für das schwankende Urteilsvermögen liegt an einigen chemischen Zusammenhängen im Gehirn: Wenn der Energiespiegel sinkt, werden wir ängstlicher in unseren Entscheidungen. Messbar wird dies am Cortisolspiegel. Cortisol ist das Biorhythmushormon, von dem in Hochphasen (im Normalfall morgens) besonders viel ausgeschüttet wird. In Niedrigenergiephasen ist nur wenig davon im Körper messbar (oft abends).

Anhand dieser Cortisolkurve können wir den Normalfall erkennen. Mit mehr Vitalität im Körper fällt uns alles etwas leichter, inkl. der Entscheidungen.

Die neurobiologischen Hintergründe: eine kurze Reise durch das Gehirn

Die Grundlage unserer Handlungs- und Entscheidungsprozesse befindet sich im Gehirn, in unseren Entscheidungszentren. Wussten Sie, dass wir für Entscheidungsfindungen drei Systeme zur Verfügung haben?

Das Angstsystem wird aktiviert, wenn wir in Situationen kommen, die wir als gefährlich einstufen: Ähnliches hat jeder schon einmal erlebt, der mit dem Auto unterwegs war und in eine gefährliche Verkehrssituation geraten ist. Die Stressreaktion hilft, sofort wach und aufmerksam zu sein. Wenn wir echten oder vermeintlichen Gefahren ausgesetzt sind, werden im Gehirn bestimmte, mit Stress verbundene, neuronale Netze aktiviert. Dabei werden Stresshormone im Gehirn ausgeschüttet, die bewirken, dass unsere Lösungskompetenz im präfrontalen Cortex reduziert wird. Jeder, der Angst vor Spinnen hat, weiß: Der Verstand kann diese Angst kaum beeinflussen. Wenn wir eine Spinne sehen, reagieren wir ängstlich und emotional – selbst, wenn uns bewusst ist, dass diese für uns keine Gefahr darstellt. Dieses System dient der Gefahrenabwehr und zur Wiedererkennung von potentiellen Bedrohungen.

Das Begeisterungssystem schaltet sich ein, sobald ein positives Ereignis eintritt. Ein gutes Essen, eine angenehme Berührung, ein schönes Bild und andere Dinge die mit positiven Emotionen verbunden sind, führen zu einer Ausschüttung von Dopamin. Das Dopamin wirkt im Gehirn als Begeisterungsbotenstoff und ist für kognitive Produktivität und hohe Kreativität zuständig. Es sorgt für ein High-Gefühl. Dieses System führt am Arbeitsplatz zu Kreativität, Mut und Zuversicht und bildet die biologische Grundlage für das Flow-Erlebnis.

Das Begeisterungs- und das Angstsystem stehen sich wie zwei Fußballmannschaften gegenüber. Hat die „Stressmannschaft“ den Ball, findet unser Gehirn viele Fehler, sucht Gefahren und ist extrem aufmerksam. Ist die „Begeisterungsmannschaft“ am Zug, sind wir kreativ, fröhlich und mutig.

Der Verstand ist im Präfrontalen Cortex gelagert und übernimmt die Aufgabe des Schiedsrichters auf dem Spielfeld. Er hat unter anderem planerische und rationale Funktionen und spielt eine untergeordnete Rolle bei unseren Entscheidungen.

„Unser Gehirn liebt Störungen“ – jede noch so kleine Unterbrechung sorgt für eine Dopaminausschüttung

Bei jeder Störung setzt unser Körper den Botenstoff Dopamin frei. Kommt beispielsweise eine neue Mail, freut sich unser Gehirn über etwas Neues und unsere Wichtigkeit. Wir lieben Unterbrechungen, denn sie liefern dem Gehirn frisches Dopamin. Bei einer (noch dazu unliebsamen) Aufgabe zu bleiben, kostet Energie in Form von Glukose. Ablenkung dagegen ist anstrengungslos. Wie alles andere können wir Konzentration auch trainieren. Hier liegt einer der größten Vorteile von Entspannungsverfahren und Meditation. Sie bringen unser Gehirn in einen Konzentrationszustand. Multitasking bewirkt genau das Gegenteil. Wenn wir im Meeting „nebenbei“ Mails beantworten, trainieren wir vor allem eines: Ablenkung. Auf Dauer können wir Ablenkung besser und Fokus schlechter.

Einer der wichtigsten Tipps zum Thema Selbstmanagement lautet daher: Seien Sie bei der Sache, egal was Sie tun. Essen Sie beim Essen, statt Mails zu lesen. Putzen Sie Zähne beim Zähneputzen, statt über das Meeting nachzudenken (in dem Sie Mails gelesen haben).

Auf den eigenen Körper achten

Nutzen Sie zur Dopaminsteigerung und damit zur Aufmerksamkeitssteigerung über die Konzentration hinaus verschiedene Möglichkeiten:

  • Essen Sie Eiweiß: Dopamin wird aus Tyrosin gebildet, eine Aminosäure, die vor allem in Mandeln, Avocados, Bananen, Fleisch und Geflügel enthalten ist. Es ist wahrscheinlich nicht wichtig, welches Eiweiß Sie zu sich nehmen, Hauptsache Sie essen es im ausreichenden Maß.
  • Bewegung: sorgt für Dopamin. Im Idealfall in Form von sportlicher Betätigung, aber auch einfaches Aufstehen und Herumlaufen steigert den Dopaminspiegel.
  • Der frühe Vogel: Packen Sie direkt morgens die wichtigen Dinge des Tages an.
  • Fokus: Konzentrieren Sie sich auf das Konzentrieren.
  • „Western Diet“ verhindern: Viele Kohlenhydrate in Kombination mit schlechten Fetten verringert die Dopamin-Ausschüttung.
  • Der pflanzliche Weg: Die Juckbohne (Mucuna Pruriens) kann den Dopamingehalt im Gehirn steigern. Diese gibt es als Nahrungsergänzungsmittel in Apotheken.
  • Messen nicht vergessen: Blutzucker, Eiweiß, Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin. Blutzucker und Eiweiß sind Standardmessungen bei Hausärzten. Die Stresshormone nehmen spezialisierte Labore ab, zum Beispiel hier.

Take a break

Wer erfolgreich sein will, braucht ein Gleichgewicht aus Ruhe- und Aktivphasen. Im Idealfall sind es acht bis zehn Stunden Schlaf pro Tag, in denen der Körper nicht nur regeneriert, sondern ausreichend Cortisol produziert, das am nächsten Tag genutzt werden kann.

Schon der Genuss geringer Mengen Alkohol, exzessives Trainieren im Fitnessstudio und stundenlanges abendliches Fernsehen oder aufs Handy Starren haben störende Effekte auf die Ruhephase. Lesen, entspannen und tatsächlich mindestens acht Stunden Dunkelheit genießen wirkt dagegen Wunder – auch auf den morgendlichen Cortisolspiegel.

Lesson Learned:

Im Selbstmanagement geht es darum, nicht nur die Gedanken, sondern auch die Moleküle im Griff zu haben. Vor allem: Haben Sie gute Laune dabei! Alles, was Mühe macht, kostet Energie in Form von Zucker. Statt unseren Schweinehund zu überwinden, sollten wir Spaß an unseren Beschäftigungen haben. Das steigert die Erfolgswahrscheinlichkeit.

Über den Autoren:

Dr. Sebastian Spörer ist Gründer und CEO der Neuro Pioneers. Als Familienvater, Ironman Triathlet, und Firmengründer verkörpert er Begeisterung für Leistung. Der Trainer und Keynote Speaker coacht deutschlandweit im Bereich der biologischen Personal- und Organisationsentwicklung. Sein Schwerpunkt ist  die Umsetzung von neurobiologischen Erkenntnissen, mit denen sich Produktivität, Begeisterung und Agilität in Unternehmen steigern lassen.

Sebastian Spörer

Sie haben Rückfragen zum Thema? – Melden Sie sich gern bei Kevin Finner.

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