Werbewirkung im „Flaniermodus“

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Kerstin Walkert
Kerstin Walker, veröffentlicht am 12. Juni 2018
Manager Corporate Communications / redaktionelle Leitung Bauer Media Blog

Was passiert, wenn das Gehirn zwischen „Excite-Mode“ und „Flaniermodus“ hin und her schaltet und was das mit Werbewirkung, Marktforschung und Neurowissenschaft zu tun hat, das erklärt Catherin Anne Hiller, Head of Research bei der Bauer Media Group.


Liebe Catherin Hiller, was versteht man unter Werbewirkung?

Vereinfacht gesagt geht es darum, wie erfolgreich eine Anzeige, ein Banner oder ein Spot dabei ist, auf die Ziele des Absenders einzuzahlen. Diese Ziele können individuell sein, sie sollen aber in der Regel dazu führen, dass die angezielten Menschen das beworbene Produkt oder die Dienstleistung kaufen, konsumieren, in Anspruch nehmen oder zumindest ein positives Bild davon erhalten. Bei eintretender Werbewirkung wird das Produkt und die Botschaft dahinter mit erhöhter Aufmerksamkeit verarbeitet und besser erinnert. Das hat großen Einfluss darauf, wie ich zu einer Marke stehe und ob ich ein Produkt kaufe und weiterempfehle.

Heutzutage geben die Leute ihre Smartphones ja kaum noch aus den Händen. Glaubt man den Versprechungen des Online Marketings, dann lässt sich digitale Werbung perfekt an die richtigen Zielpersonen ausspielen…

…und bei Kontakt sofort in einen Kauf verwandeln. Nur ignoriert das eine zentrale Erkenntnis: Das Umfeld spielt eine entscheidende Rolle für die Werbewirkung. Nehmen Sie sich nur mal das – sehr erfolgreiche – Native Advertising im Digitalbereich. Neue Erkenntnisse aus der Daten- und Neuroforschung geben der Diskussion aber einen neuen Drive – auch bezogen auf andere Gattungen wie Print…

Und zwar?

Zunächst einmal dienen sowohl die Daten- als auch die Neuroforschung dazu, Werbewirkungen nachzuweisen beziehungsweise die Gründe dafür zu erläutern. Die heutigen Möglichkeiten der Datenforschung, ganze Datenberge zu erheben und zu analysieren haben dafür gesorgt, dass wir Effekte und Wirkzusammenhänge messen und visualisieren können. Die Neuroforschung ergänzt das alles ideal, weil sie hilft zu erklären, warum die Werbeeffekte so sind, wie sie sind.

Was passiert denn im Hirn, wenn Werbung wirkt?

Darüber habe ich selbst viel vom Hirnforscher Dr. Hans-Georg Häusel gelernt. Zunächst spielt die individuelle Persönlichkeit eine große Rolle. Wenn Werbung wirkt, sprechen Neuroforscher von der „Belohnungserregung“: Menschen mit sehr aktiven Belohnungssystemen sind affiner für schnelle Erregungen und Botschaftenwechsel, die typisch für digitale Medien sind. Jeder Like ist ein kleiner Endorphinschub, jeder Klick eines Buttons muss einen sofortigen Effekt haben. Man spricht hier vom „Goal-“ oder „Excite-Modus“ des Gehirns. Ist die Belohnungserregung geringer ausgeprägt, funktionieren „ruhigere“ Medien, insbesondere Print besser.

Was bedeutet das für die Werbung in Print?

Eine schön oder ansprechend gestaltete Anzeige in einem Magazin guckt man sich gerne näher an. Dazu kommt noch die Multisensualität durch die Haptik oder schlicht die Möglichkeit, beliebig vor- oder zurückblättern – also das Tempo bestimmen zu können. Hier schaltet das Hirn in den „Flaniermodus“, man ist entspannter, man bummelt zurückgelehnt durch das Heft, man will genießen und ist gleichzeitig fokussiert. Das alles hat zur Folge, dass Menschen, die über Print angesprochen werden, in der Regel ein wesentlich höheres Produktinteresse zeigen: Die best for planning-Daten beweisen beispielsweise, dass Frauen, die etwa zum Thema Kosmetik einen Print-Kontakt im passenden Themenumfeld hatten, über ein 38 Prozent höheres Produktwissen verfügen. Ohne Print im Werbemix sind diese Werte deutlich geringer. Dazu kommt noch, dass die durchschnittliche Lesedauer bei gekauften Zeitschriften rund 90 Minuten beträgt. Das ist etwas anderes, als mehr oder weniger geistesabwesend durch Newsfeeds zu wischen.

Die >>Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung (GIK) ist ein Gemeinschaftsunternehmen der fünf großen Medienhäuser Axel Springer SE, >>Bauer Media Group, Funke Mediengruppe, Gruner + Jahr und Hubert Burda Media. Gemeinsam betreiben sie die Markt-Media-Studien best for planning (b4p) und best for tracking (b4t), um Kunden und Marktpartnern Daten für ihre Werbeplanung zur Verfügung zu stellen und die Wirkung von Werbemitteln zu evaluieren. Die Studien sind offen für weitere Kooperationen: Verlage und Medienunternehmen können sich als Lizenznehmer beteiligen. Über 30 Lizenznehmer haben dies bereits getan.

90 Minuten Aufmerksamkeit setzt entweder ein Fußballspiel oder gutes Storytelling voraus. Welche Rolle spielen die Geschichten neben den Werbeplätzen – also die redaktionellen Beiträge – und die Geschichten, die innerhalb der Werbung erzählt werden?

Leser möchten inspiriert, fasziniert und neugierig gemacht werden. Egal, ob neben oder in der Anzeige – Geschichten eröffnen Erlebnisräume, die berühmten Bilder im Kopf. Diese Bilder werden über Emotionen erzeugt und im episodischen Gedächtnis verarbeitet. In diesen Räumen finden auch die Anzeigen statt – sowohl im Heft als auch im Kopf im entsprechenden Erinnerungskontext. Das ist die Grundlage für das, was wir heute Neudeutsch „Brand Attention“ und „Brand Affection“ nennen. Werbung wirkt immer dann, wenn über solche Dynamiken positiv besetze Botschaften gesetzt und mit der Marke oder dem Produkt in Verbindung gebracht werden.

Catherin Anne Hiller ist Geschäftsführerin der GIK sowie Leiterin Research und Consulting bei der Bauer Media Group. In diesen Funktionen widmet sie sich den Wirkungszusammenhängen von Kommunikation, Mensch, Markt und Produkterlebnis. In ihren Ansätzen übersetzt sie aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse in marketing-alltagstaugliche Forschungs-Tools, um den Weg des Konsumenten bestmöglich planbar und den Erfolg messbar zu machen. Sie greift dabei auf einen vielfältigen Perspektivenschatz zurück, den sie auf Agentur-, Instituts-, Unternehmens- sowie auf Medienseite gewinnen konnte.

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Sie haben Rückfragen zum Thema? – Melden Sie sich gern bei Kevin Finner. 

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