„Ein Händedruck wie ein toter Fisch“ – jeder kennt dieses Bild des suboptimalen ersten Eindrucks. Aber was genau hat ein Händedruck mit Business-Ritualen zu tun? Silke Foth, Buchautorin und Coach, war auf Einladung des Netzwerkes Women@Bauer zu Gast und gab tiefenpsychologische Einblicke in diese Rituale. Wir haben nochmal nachgefasst – ihr Handschlag war ordentlich.
Liebe Silke Foth, Sie haben uns in Hamburg besucht und haben im Rahmen der Reihe „Women@Bauer“ über Business-Rituale gesprochen – worum ging es konkret?
Es geht darum, Frauen für Interaktionen zu sensibilisieren, die in unserem beruflichen Alltag permanent stattfinden. Wie ich am Beispiel des Händedrucks gezeigt habe, sind solche Verhaltensweisen in hohem Maße ritualisiert, sie signalisieren zumeist den Status der Beteiligten, weniger deren Individualität. Dies geschieht auf verbaler und auf nonverbaler Ebene. Meine Intention ist, Frauen zu ermuntern, klassische Status- und Machrituale zu decodieren und Spaß daran zu entwickeln, auf gleicher Augenhöhe souverän mitzuspielen. Das heißt, optisch und akustisch Raum einzunehmen. Frauen sollen solche Rituale als das erkennen, was sie sind, nämlich keine persönlichen Abwertungen, sondern völlig unreflektierte automatisierte Sozialformen der Selbstdarstellung, des Testens und Messens. Frauennetzwerke bieten eine hervorragende Plattform zum Austausch und Üben von Musterunterbrechungen im Umgang mit Verhaltensweisen, die Frauen manchmal auf die Palme bringen.
Wie unterscheiden sich denn die weiblichen von den männlichen Business-Gewohnheiten?
In hierarchisch geprägten Unternehmen, die auf den oberen Führungsebenen noch weniger als 30 Prozent Diversität haben, überwiegen Rituale, die eng mit dem Status verbunden sind und die Krönung einer individuellen Karriere darstellen. In solchen Kulturen pflegen viele Männer das Ritual „Erst die Klärung von Status und Rangordnung, dann die Sache”. Diese Ritualregel ist wunderbar beim Warm-up eines Meetings zu beobachten. Hier spielen viele Männer immer noch das Messritual „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Frauen pflegen das Ritual „In der Sache voran, aber bitte beziehungsfreundlich”. Wenn Frauen in einer solchen Meeting-Situation zu schnell ihre inhaltlichen Punkte anbringen, während die Männer noch die Hackordnung klären, nehmen die Männer den eingebrachten Inhalt der Frau und messen sich an ihm. Zum Beispiel „Wer hat die besseren, schnelleren Argumente, um den Inhalt der Kollegin zu demontieren?“
Hinzu kommt, dass Frauen Hierarchien tendenziell eher ablehnen. Daher integrieren sie sich schlechter in hierarchisch orientierte Systeme. Männer tun sich da leichter. Das heißt nicht, dass das eine schlecht und das andere gut ist, man muss es nur wahrnehmen, vor allem, wenn man als „Minderheit“ auf der Karriereleiter weiterkommen möchte.
Ist es am Ende nicht doch etwas klischeehaft?
Jein – solche Klischees haben eine reale Grundlage: Eins der nachhaltigsten und abgedroschensten Klischees ist die Vorstellung, dass Frauen für Führungspositionen weniger geeignet sind als Männer. Dieses Klischee ist bestens untersucht und wird als „Think Manager, Think Male“ bezeichnet, da Führungspositionen über mehrere Jahrhunderte hinweg klassischerweise von Männern bekleidet wurden.
Dass dieses Klischee sehr mächtig ist, zeigen viele wissenschaftliche Studien, wie zum Beispiel von der Allbright Stiftung. Tatsächlich sind Frauen häufiger sozial kompetenter als Männer, während Männern Dominanz zugeschrieben wird. Werden wiederum Frauen als dominant wahrgenommen, wird dies als zu pushy oder zu tough gewertet. Solche Frauen sind dann keine „echten Frauen“ mehr, sondern bekommen einen besonderen Status, der von unweiblich bis zur Hexe reicht.
Gutes Stichwort – Sie haben auch ein Buch mit dem Titel „Erfolgsrituale für Businesshexen“ geschrieben. Müssen Frauen im Business also Hexen sein? Das klingt etwas böse.
Ich weiß schon, gegen die Gebrüder Grimm kann ich nicht anstinken, und die Vorstellung vom bösartigen, kinderverspeisenden Weib ist tief im kollektiven Gedächtnis verankert. Für mich ist „Hexe“ eine Metapher, die sehr viele positive Bedeutungen enthält: zum Beispiel Intuition, überraschende kreative Problemlösungen und Abweichung von eingefahrenen Mustern und Ritualen. Im Mittelalter wurden Frauen, die „anders“ waren, als Hexe bezeichnet. Heute wissen wir, dass Kreativität, Flexibilität und das Abweichen von eingefahrenen Mustern keine Zauberei sind, sondern Bestandteil eines modernen Führungsstils. Wenn Frauen im Business also Hexen sein müssen, dann nur in diesem Sinne. Die Decodierung von Ritualen und gendertypischen Klischees zeigt uns in drastischer Weise, dass die Entzauberung von sprachlichen Metaphern, wie der der Hexe, ein zentraler Bestandteil von Emanzipation ist.
Zurück zu Ihrem Vortrag: Dort beschreiben Sie die „vier systemischen Dimensionen in Unternehmen und deren Auswirkung auf die Unternehmenskultur und das Verhalten“ – was meinen Sie damit?
Ein signifikantes Merkmal der Unternehmenskultur ist die Beförderungspraxis in Führungspositionen. In einer neuen sozialpsychologischen Studie wird das detailliert beschrieben: Entscheidend ist die systemische Dimension „Zugehörigkeit zu einer Ingroup“. Dass diese Praxis extrem hartnäckig ist, zeigen auch die neusten Studien des DIW, nach denen es noch über 80 Jahre in Deutschland dauern wird, bis in den DAX-Unternehmen die gleiche Anzahl von Frauen und Männern in Vorstandsetagen vertreten sein wird. Diese Systemdimension, wie auch die drei anderen („Position“, „Loyalität“ und „Balance von Geben und Nehmen“), geben einen tiefen Einblick in die gelebte Praxis von Unternehmen.
Können Sie uns jeweils ein typisches positives und negatives Businessritual nennen und wie man dieses Rituale optimal einsetzt bzw. vermeidet?
Positive Businessrituale zeichnen sich dadurch aus, dass sie Kooperation und Wertschätzung beinhalten. Beispielsweise ganz einfach in Meetings pünktlich zu erscheinen – auch als Führungskraft. Wertschätzende Begrüßungsrituale sollten stets initiiert werden: Was läuft gut, was können wir besser machen, wer braucht was von wem? Huldigungsrituale sollten durch konstruktives Feedback ersetzt werden. So eine typische Huldigung kann man häufig am Ende einer Präsentation beobachten. Männer versammeln sich meist um den Top Dog, um den Bückling zu machen: „Sie haben völlig Recht! Phantastisches Konzept! Überzeugende Zahlen! Hervorragende Marktchancen!“ – Frauen dagegen schauen oft auf die Uhr: „Huch, schon so spät! Ich muss zurück an meine Arbeit.“ In solchen Systemen gilt: „Wer genügend Leistung und viel rituelle (unterwürfige) Präsenz zeigt, bekommt mehr Anerkennung und Beförderung, als jemand, der viel leistet und wenig präsent ist.” Huldigung ist den meisten Frauen zuwider, daher sollten sie stattdessen ehrliches Feedback geben, um ebenso sichtbar zu sein.
Meine Botschaft: Statusrituale abbauen und konstruktive Rituale fördern, das zusammen schafft eine bessere Unternehmenskultur und sorgt für ein kreatives, loyales Umfeld. Kooperation statt Differenz, Vielfalt statt Vereinheitlichung, lebendige und kreative Interaktionen, anstelle bürokratisierter Abläufe. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nur gemeinsam zwischen Frauen und Männern gelingt, Hand drauf!