Das Shared Product Mindset als Teil der Produktkultur

Kerstin Walkert
Kerstin Walker, veröffentlicht am 30. November 2018
Manager Corporate Communications / redaktionelle Leitung Bauer Media Blog

Digitale und crossmediale Produkte werden immer komplexer, gleichzeitig steigen die Erwartungen der Nutzerschaften. Ob Zeitschrift, Website, App, Skill oder Feature – was zählt, ist die ganzheitliche Markenerfahrung. Wie wird man als Projekt- oder Produktmanager also Herr der Lage? Wir haben mit Marcel Semmler, Mitglied der Geschäftsleitung der Bauer Xcel Media, über das „Shared Product Mindset“ gesprochen. Ein Ansatz zur smarten Strukturierung von Produktmanagementprozessen.

Marcel, was genau verstehst Du unter „Produktkultur“?

Marcel Semmler: Es ist nichts, was sich so richtig anfassen oder greifen lässt. Man kann als Organisation oder Unternehmen nicht einfach eine Produktkultur verordnen. Kultur ist nicht greifbar, sie spiegelt sich in der täglichen Arbeit, in gemeinsamen Werten und Überzeugungen und eben auch in Projekten und Produkten wider. Die Frage ist vielmehr: Wie schaffen wir einen Rahmen, in dem ganzheitliche Produkte im Fokus stehen? Wie gelingt es uns, den Nutzer und seine Interessen am besten zu berücksichtigen? Und: Wie entwickeln wir relevante Produkte, die wir nachhaltig monetarisieren können?

Hast Du ein Beispiel?

Nehmen wir die Bauer Xcel Media Websites: Die Medienwelt ist sehr komplex geworden, das gilt insbesondere für die Vielfalt aller digitalen Produkte. Gerade deshalb können wir Websites und Portale nicht mit ein oder zwei Personen am Reißbrett entwickeln und darauf bauen, dass sie erfolgreich werden. Wir bei Bauer Xcel Media verschmelzen unterschiedliche Perspektiven zu einem großen Ganzen: Vom Produktmanagement bis zur Redaktion, vom Audience Development bis zum Sales arbeiten wir crossfunktional an Problemlösungen und Ideen. Mithilfe dieser unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen gelingt es uns, Websites und Portale einzuführen, die uns als Medienhaus wirtschaftlich voranbringen.

Diese Komplexität beschränkt sich selbstverständlich nicht nur auf den Digitalbereich. Die Markenwelten, die wir als Medienhaus erlebbar machen, werden ebenfalls komplexer und in sich immer verzahnter. Die Leser und User machen nicht an den Grenzen der Touchpoints halt – ob Website oder Heft, ob Event oder Voice Skill. Eine Kultur der Zusammenarbeit und der Fokussierung auf das Ergebnis ist ein essentieller Erfolgsfaktor im Wettstreit um die Aufmerksamkeit.

„Produktkultur ist nichts, was sich so richtig anfassen lässt. Es geht um einen gemeinsamen Zweck und die gemeinsame Arbeit an Prozessen und der Strategie, um unser Produkt voranzubringen.“

Wie hängen die Unternehmenskultur und eine erfolgreiche Produktkultur zusammen?

Wir brauchen Leute, die ein außerordentliches Gespür für Marktdynamiken, aufkommende Trends und Nutzerzielgruppen haben. Menschen mit einem gemeinsamen „Product Mindset“ stellen gemeinsam Fragen, treffen gemeinsam Entscheidungen und lösen gemeinsam Probleme. Ihnen gelingt der „ganzheitliche Blick“ auf Prozesse, denn die aktuellen Herausforderungen des Produktmanagements sind größer denn je. Aber ein „Product Mindset“ allein reicht nicht aus, um eine erfolgreiche Produktkultur zu erklären. Der Gedanke muss in alle Teilbereiche der Organisation getragen werden, denn jedes Erzeugnis trägt die DNA eines Unternehmens in sich. Dieses „Shared Product Mindset“ umfasst die Kreation und Redaktion genauso wie die Bereiche Entwicklung, Audience Development oder Sales. Es ist wichtig, dass die Bereiche und Teams sehr eng zusammenarbeiten. Die Produktkultur ist keine Konkurrenz, sondern ein Teilaspekt einer ganzheitlichen Unternehmenskultur.

Wie verändert sich die Rolle des klassischen Projektmanagers im Unternehmen?

Ganz klar, die Rolle des klassischen Projektmanagers, der zeitlich begrenzte Projekte managt, ändert sich. In Zukunft wird ein stärkeres Produktdenken gefordert: Die meisten Entwicklungen haben eben keinen Anfang und kein Ende. Wir verlängern und erneuern deshalb den Lebenszyklus eines Erzeugnisses durch kontinuierliche, konsequente und nutzerzentrierte Arbeit immer wieder. Aus vielen Projektmanagern werden Produktmenschen. Wir arbeiten – wie andere Unternehmen auch – seit Jahren mit Product Ownern. Hinzu kommt: Einer allein kann die Dinge nicht in ihrer Komplexität weiter verarbeiten. Warum sollte er dann das Nadelöhr sein? Warum kann er stattdessen nicht als „Enabler“ die Zusammenarbeit fördern und den roten Faden quer durch alle Abteilungen weben? Mein Job besteht vor allem darin, es allen zu ermöglichen, jeden Tag noch bessere Ergebnisse zu entwickeln. Ich bringe die richtigen Personen als Team zusammen, gebe ihnen Freiräume und Verantwortung. Ich stehe als Sparringspartner bei Zielkonflikten zur Verfügung und kümmere mich um organisatorische Herausforderungen: Beispielsweise, wenn mehrere crossfunktionale Teams zeitlich begrenzt zusammenarbeiten und wir eine räumliche Lösung finden müssen.

„Das ,Shared Product Mindset‘ lebt von einer sich ständig verändernden Kultur, die auf Transparenz, Verantwortung und Enablement basiert.“

Warum ist das „Shared Product Mindset“ eine Lösung?

Durch das „Shared Product Mindset“ können wir Prozesse innovativ leben und organisieren. Es ist ein logischer Schritt, mit dem wir aktuelle Herausforderungen meistern: Die Vielzahl der technologisch komplexen Touchpoints, die Fragmentierung der Nutzerschaften oder neue User Interfaces wie Sprachsteuerung sind nur einige davon.

Mit jedem Team, das ein „Product Mindset“ für den eigenen Bereich entwickelt, steigt unser Innovationspotential. Das muss nicht immer eine branchenverändernde Disruption oder das nächste große Ding sein. 80 Prozent aller Innovationen sind nicht gänzlich neu in der Welt, sondern knüpfen an bestehende Business-Modelle an. Sie sind trotzdem so wichtig, weil fundamentale Ideen manchmal nicht realisierbar sind. Das kann zu Frustration oder Resignation führen.

Und wie wird das Prinzip umgesetzt?

Voraussetzung ist eine gemeinsame, geteilte Vision. Nicht jeder einzelne Mitarbeiter muss überall involviert sein. Aber grundsätzlich sollten alle Bereiche beteiligt sein. Wichtig dabei: Das „Wieso, Weshalb, Warum“ der Prozesse und Strategien muss transparent sein. Ohne Transparenz gibt es keinen Spielraum für Diskussionen und neue Ideen. Wenn Mitarbeiter eigenverantwortlich Probleme lösen können und vor allem dürfen, eskalieren Probleme seltener.

Die acht Prinzipien des „Shared Product Mindsets“ 
1. Alles, was wir tun, ist Teil der Produkterfahrung unserer Nutzer
2. Jedes Team, jeder Bereich verantwortet damit einen Teil der Produkterfahrung
3. Alle Teams und Bereiche müssen daher in den Produktentwicklungsprozess involviert werden
4. Die neuen Anforderungen an Product Manager: Ganzheitlicher Blick, Guide und Enabler
5. Das neue Profil für Produkt-Teams: diversifizierte Fähigkeiten
6. Innovation ist so viel mehr als ‚the next big thing‘
7. Ein „Shared Product Mindset“ erfordert eine von allen geteilte Vision
8. Die Unternehmenskultur muss sich immer weiterentwickeln, basierend auf den Werten Transparenz, Verantwortung und Enablement

Was begeistert Dich an Deiner Aufgabe?

Ich finde es erstaunlich, wie ein so großes, traditionsreiches und weit verzweigtes Unternehmen es schafft, sich kontinuierlich neu zu erfinden. Wir stellen Bestehendes in Frage, das ist nicht selbstverständlich. Neue Entwicklungen werden im Unternehmen vor allem als Herausforderung gesehen, die es zu bewältigen gilt. Das sorgt jeden Tag für positive Veränderungsimpulse und neue Lösungspotentiale. Viel zu häufig wird in Unternehmen beim Wort „Herausforderung“ nur das Negative, das Problem, gesehen.

Welche Fähigkeiten sind für deine Teamkollegen unverzichtbar?

Neben den fachlichen Qualifikationen ist mir der kulturelle Fit wichtig. Neue Kollegen sollten offen, kommunikativ und transparent arbeiten können und gern Verantwortung übernehmen. Bei uns zählt die Lust auf Teamwork und Kollaboration. Wer bei uns arbeitet, empfindet Veränderungen nicht als etwas Negatives, da wir in einem sehr schnelllebigen Business-Umfeld agieren. Jeder im Team bringt sich aktiv in das Unternehmen ein: Mit Ideen, mit Feedback und mit ganz viel Einsatz. Das Wort Agilität wird heute stark überstrapaziert, aber es drückt die Summe meiner Anforderungen am besten aus: Ich bin auf der Suche nach ‚agilen‘ Kolleginnen und Kollegen.

Wie hat sich unser Produktportfolio in den letzten Jahren entwickelt?

Es hat sich vor allem diversifiziert, ebenso wie sich unsere Nutzer weiterentwickelt haben. Wir bringen viel mehr Produkte und Anwendungen auf den Markt, mit denen wir die speziellen Bedürfnisse einzelner Zielgruppensegmente besser abdecken. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg und werden diesen weitergehen.

Marcel, danke für Deine Zeit und die interessanten Insights!

Vortrag von Marcel Semmler  auf der Working Products Konferenz 2018  zum Thema: ‚Product Culture Needs Time ‚.

Marcel Semmler ist Chief Product Officer und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bauer Xcel Media und seit über zehn Jahren in der Entwicklung digitaler Produkte und Geschäftsmodelle. Der Enthusiast und Evangelist an der Schnittstelle zwischen Produkt, Marketing und Technologie ist ein Verfechter einer nutzerzentrierten Unternehmenskultur. Marcel bloggt außerdem auch regelmäßig auf der Plattform Medium.com.

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Sie haben Rückfragen zum Thema? – Melden Sie sich gern bei Kevin Finner.

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