„Die Neue Post war schon immer der Leuchtturm für jeden Unterhaltungs-Redakteur“, sagt Roland Hag, der das Celebrity-Weekly seit vier Jahren leitet. Wir trafen den Chefredakteur im „Wohnzimmer“, dem Konferenzraum von Neue Post, in dem Woche für Woche Celebrity-Geschichte geschrieben wird.
Nach der Rockerphase, in der er mit Lockenmähne über die Bühnen der Republik fegte, wurde Roland Hag Industriefotograf. Er arbeitete bei verschiedenen Zeitschriften und irgendwann verschlug es den mittlerweile schreibenden Redakteur nach Hamburg. Seit 2014 rockt Hag als Chefredakteur von Neue Post das Segment der Celebrity-Weeklies. Zur E-Gitarre griff er bei der Bauer Media Group bisher leider nur ein einziges Mal. Wir wollten von dem Blattmacher wissen, wie er bei seiner Zielgruppe den richtigen Ton trifft und was Kreuzfahrten mit Neue Post zu tun haben.
Herr Hag, die Nähe zu den Leserinnen und Lesern ist Ihnen wichtig: Wie dürfen wir uns die Neue Post-Leserin vorstellen?
Roland Hag: (lacht) Das ist die zentrale Frage, die uns jeden Tag antreibt. Ein Wahnsinnsthema: Wer ist Maria, wie wir unsere Leserin nennen? Eine Frau 50plus, eher 60plus, die vor allem im traditionellen Milieu und in der bürgerlichen Mitte beheimatet ist. Diese Milieus werden von verschiedenen gesellschaftlichen Veränderungen wie beispielsweise der Flüchtlingskrise extrem beeinflusst. Der gesellschaftliche Druck sorgt bei unseren Leserinnen für neue Zwiespälte, er verändert sie. Das müssen wir sehr ernst nehmen. Maria ist nicht mehr die, die sie noch vor drei, oder vor fünf Jahren war.
Was bedeutet das für die Inhalte von Neue Post?
Wir haben bis vor einigen Jahren Geschichten gemacht, mit denen wir uns klar traditionell positioniert haben. Wenn eine Ehe scheiterte, haben wir gesagt: „Das geht gar nicht!“ Heute spiegeln wir die verschiedenen Wege zum Glück. Die Ehe ist und bleibt für Maria eine feste, unumstößliche Größe. Doch sie sieht auch, vielleicht sogar im Alltag der eigenen Kinder, dass es auch andere Lebensmodelle gibt, mit denen die Menschen glücklich werden. Maria akzeptiert das. Sie folgt zwar nicht jedem Trend, erkennt aber den Zeitgeist. Ich könnte Ihnen für jede einzelne Neue Post-Geschichte erklären, wie Maria sich darin wiederfindet.
Maria beziehungsweise die Neue Post-Leserinnen entwickeln sich also weiter – welche Auswirkungen hat das auf die Geschichten im Heft?
Auch wir befinden uns in einem fortlaufenden Wandel. Heute erzählen wir Geschichten anders als früher, weil die Leserin höhere und veränderte Ansprüche hat. Wir müssen viel glaubwürdiger sein. Die Neue Post empfinde ich wie eine Kreuzfahrt, mit der wir die Leserin auf eine Reise schicken. Das Schiff ist ihre sichere Basis. Aber sie erlebt damit Dinge, die sie nie zu träumen gewagt hat. Überspitzt gesagt nehmen wir Maria mit an exotische Orte und bringen sie sicher zurück in ihre Heimat. Nach einem Landausflug zum turbulenten Gewürz-Basar in Mumbai kann sie trotzdem – zurück auf dem Kreuzfahrtschiff – heimischen Sauerbraten genießen. Das ist die Welt unserer Geschichten.
Sind heute Themen möglich, die früher tabu waren?
Klar, heute können wir eine Ehe-Geschichte zwischen zwei Männern wie Patrick Lindner und seinem Mann bringen. Das Thema Homosexualität ist eine Art „Ausflug in eine andere Welt“, an einen „exotischen Ort“. In dem Interview mit den beiden halten wir aber trotzdem die Ehe hoch – da findet sich Maria mit ihren traditionellen Werten weiterhin wieder – es geht auch um klassische Paarprobleme, weil einer den Müll nicht runterbringt. Solche Geschichten wären bis vor wenigen Jahren nicht möglich gewesen und hätten die Leserinnen verstört. Aber wir können ihnen heute dahingehend mehr zumuten. Die Welt um die Leserinnen herum ändert sich ja ständig.
Die Neue Post steht auch für die Nähe zum Adel und zu den Stars?
Die Strahlkraft des Adels ist nicht mehr so stark wie früher. Vor Jahren war es fast eine Verkaufsgarantie, wenn wir Maxima oder Victoria auf dem Titel hatten. Das ist heute nicht mehr unbedingt der Fall. Wir überlegen sehr genau, wen – und mit welchem besonderen Dreh – wir in der Titelgeschichte positionieren. Das ist alles andere als oberflächlich, denn der Wert einer Geschichte ist oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Nachrichten nur mit Sensationsgehalt erzählen unsere Mitbewerber auch. Wir wollen mehr bieten! Wenn Heidi Klum mit ihrem 16 Jahre jüngeren Lover knutscht, lesen wir das überall. Aber wo, und da bewegen wir uns auf der zweiten Ebene, liegt der Mehrwert, der Kern, dieser Story für Maria? Kommt Heidi mit dem Älterwerden nicht klar? Ist sie süchtig nach Anerkennung? Ist das Spiel mit jungen Männern ihr Statussymbol? Oder ist sie am Ende doch einsam? Und wer kümmert sich eigentlich um die Kinder? Es gibt viele verschiedene Zugänge zu einer Geschichte. Wir erzählen kaum eine eindimensionale Nachricht, nur um mitreden zu können.
Wie baut eine Neue Post-Redakteurin, die unter Umständen jünger ist als ihre Leserinnen, ein Verständnis für die Zielgruppe auf?
Die Kolleginnen sind Anfang 20 bis Mitte 50. Um die Leserin zu verstehen, machen wir viele Workshops. Wir besuchen unsere Leserinnen zu Hause und beschäftigen uns bis ins letzte Detail mit ihren Milieus. In der Redaktion werden die Themen, die die Menschen beschäftigen, immer wieder ausführlich diskutiert und mit der Lebenswelt der Leserinnen abgeglichen.
Aus diesem Grund haben Sie den Konferenzraum von Neue Post wie das Wohnzimmer einer ihrer Leserinnen eingerichtet…
… weil sich Zielgruppennähe nur so konsequent leben und nachempfinden lässt. Im „Wohnzimmer“ finden sich Elemente wieder, die aus dem Leben von Maria stammen: Ein Kronleuchter, der schwere lange Eichentisch, das Kaffeeservice oder ein apricotfarbenes Sofa. Auf die Idee brachte mich ein Kollege, der Leserinnen zu Hause besuchte. Als ich anschließend seine Fotos sah, wollte ich diese Lebenswelt in unsere Redaktionsräume holen. Für uns ist das „Wohnzimmer“ selbstverständlich geworden.
Warum bekräftigen Sie mit dem „Wohnzimmer“ Ihren Ruf als Zielgruppenversteher?
(lacht): Weil wir damit richtig liegen. Wir haben vor einiger Zeit eine größere Gruppe Neue Post-Leserinnen in die Redaktion eingeladen. Die Damen saßen über Stunden mit uns zusammen im „Wohnzimmer“. Sie betrachteten die vielen Fotografien, wir haben gemeinsam Kaffee getrunken und wir sprachen über ganz unterschiedliche Dinge. Das Faszinierende war: Keine einzige erwähnte, dass sie den Raum in irgendeiner Form ungewöhnlich fände. Jede dieser Frauen hat sich sprichwörtlich bei uns wie zu Hause gefühlt.
Gibt es etwas, das Sie mit in diesen Raum gebracht haben?
(Springt auf, läuft zur Glasvitrine und zieht einen Bierkrug mit seinem Namenszug heraus) Der stammt aus meinen Münchner Zeiten. Manchmal bringen auch Kolleginnen überraschende Dinge mit…
… werden Sie von Ihren Leserinnen auch manchmal überrascht?
Absolut. Wir wissen längst, dass der äußere Schein oft von der eigentlichen Person ablenkt. Neulich waren wir bei einer Leserin zu Hause, deren Wohnung auf den ersten Blick konservativ wirkte. Es stellte sich aber heraus, dass sie als Leih-Oma über das Internet Kontakte pflegt und unheimlich weltoffen und beweglich ist. Viele unserer Leserinnen leben in einer Paradoxie: Sie sind traditionell verwurzelt, beschäftigen sich aber täglich immer mehr mit zeitgemäßen Dingen wie den Sozialen Medien. Das ist spannend. Maria hat viele Gesichter.
Was macht die Bauer Media Group im Segment der Celebrity-Weeklies anders?
Unser guter und sehr direkter Draht zu den Stars macht sicherlich den größten Unterschied. Wir leisten uns Reporter, die zu den Stars fahren oder die Stars kommen zu uns in die Redaktion: Die Künstler vertrauen uns, weil wir ein hervorragendes journalistisches Produkt machen und nicht nur abschreiben. Weil wir mit ihnen reden – und nicht nur über sie. Damit investieren wir in Qualität und in die Marke. Außerdem haben wir Elemente im Heft, mit denen wir uns abheben: Im Reportage-Bereich setzen wir auch gesellschaftliche Herausforderungen thematisch um. Beispielsweise die Frage: „Wie sicher fühlen Sie sich in Deutschland?“ – eine Problematik, die mit klassischem Yellow nicht unbedingt etwas zu tun hat. Aber wir haben ein großes Verständnis für die Leserin und ihre Ängste und Bedürfnisse. Und am Ende will Maria durch das Gelesene belohnt und begeistert werden. Das kann durch den Ausflug in eine andere Welt, eine Bestätigung ihrer Meinung oder durch eine Geschichte mit Vorbildfunktion geschehen.
Wo sehen Sie die Neue Post in einigen Jahren?
Wir sind immer am Puls der Zeit, werden aber die traditionellen Werte unserer Leserin auch in Zukunft nicht in Frage stellen! Durch das exakte Zielgruppenverständnis und den hohen Anspruch an journalistische Qualität wird sich Neue Post in den kommenden Jahren noch deutlicher vom Einheitsbrei im Wettbewerb abheben.
Zur Ausbildung an der Bauer Journalistenschule gehört die „Celebrity Academy“: Wie sind die aktuellen Pläne?
Das Segment der Celebrity-Weeklies hat mit großen Vorurteilen zu kämpfen, weshalb es für uns in Teilen schwierig ist, Nachwuchs zu finden. Wir wollen angehende Journalisten für den Bereich begeistern, deshalb unser vierzehntägiger Ausbildungs-Block: In diesem Jahr können wir den Unterhaltungsschwerpunkt noch verstärken, weil uns Angela Meier-Jakobsen, Chefredakteurin von InTouch und Closer, unterstützt. Die Journalistenschüler werden bei den Dreharbeiten einer erfolgreichen TV-Serie dabei sein und Interviews mit national und international bekannten Stars führen. Sie erleben, dass wir keine Gerüchte verbreiten, sondern mit hohem Rechercheaufwand tolle Zeitschriften machen. Die Schüler entdecken im Rahmen der Academy die Seiten an Celebrity-Weeklies, die mich seit so vielen Jahren faszinieren.
Lieber Roland Hag, vielen Dank für dieses Gespräch.
Roland Hag ist seit 2014 Chefredakteur von Neue Post. In vorherigen beruflichen Stationen war der Freizeitgitarrist Hag Chefredakteur in München und Köln und dort für verschiedene Zeitungen und Frauenzeitschriften als Fotograf, Reporter und leitender Redakteur tätig (Foto: Klaus Becker).
Das Interview führte Kerstin Walker. Sie haben Rückfragen zum Thema? – Melden Sie sich gern bei Anna Störmer.