Warum Catherin Anne Hiller ihr Bauchgefühl mit Faktenwissen untermauert und Philipp Westermeyer eine Turnhalle zum Arbeiten nutzt.
Von Kerstin Walker und Andreas Wrede
Warum Catherin Anne Hiller ihr Bauchgefühl mit Faktenwissen untermauert und Philipp Westermeyer eine Turnhalle zum Arbeiten nutzt.
Von Kerstin Walker und Andreas Wrede
Catherin Anne Hiller, GIK-Geschäftsführerin und Head of Research & Consulting bei Bauer Media, und Philipp Westermeyer, OMR-Gründer, sind Experten, wenn es um Zielgruppenwissen, Markenführung und Werbewirkung geht. Ihre Herangehensweise aber ist eine völlig andere…
Wenn ich nur Menschen erreichen möchte, die mir ähnlich sind, habe ich für diese Zielgruppe ein exzellentes Bauchgefühl. Wenn ich aber neue Märkte und Potenziale erschließen und unbekannte Zielgruppen ansprechen möchte, wird mein Bauchgefühl wahrscheinlich nicht ausreichen. Wer sein Gefühl mit Zahlen kombiniert, kommt zu besseren Entscheidungen.
Auf jeden Fall – das entspricht komplett unserer OMR-Story. Wir wollten von Anfang an für Freunde arbeiten und für unser weiteres Umfeld. 2011 war das noch eine Art Hobby. Bald habe ich mir allerdings gedacht: Wenn mich so viele Leute um Hilfe im Digital-Marketing fragen, kann ich das nicht mehr allein lösen. Ich mache jetzt ein Seminar! Daraus wurde eine Reihe von Seminaren und die Leute fragten anschließend: „Mensch sieht man sich mal wieder, macht ihr einen Aufbaukurs?“ Ein paar Jahre später haben wir die OMR-Konferenz auf die Beine gestellt, zu der ebenfalls vor allem viele Freunde kamen.
„Intuition ist etwas, was einen guten Werber auszeichnet. Jean Remy von Matt, der hatte das. Ich habe in dem Zusammenhang eines früh gelernt: Der größte Fehler, den Viele machen, ist, von sich auf andere zu schließen. Wir haben mal im Performance Marketing eine Kampagne gelauncht, für die wir mit Pop-Up´s gearbeitet haben – etwas, was uns früher eigentlich wahnsinnig genervt hat. Zum Probe-Abo einer Regionalzeitung haben wir den Abonnenten einen kleinen fliegenden Hubschrauber versprochen. Ich dachte: Wer trägt da bloß seine Adresse ein, das braucht doch kein Mensch? Die Wahrheit war: Sehr viele – gerade wegen des kleinen fliegenden Hubschraubers.
Philipp Westermeyer, Online Marketing Rockstar und Gründer
Weil wir zum Beispiel das OMR Festival in einen digitalen Kontext über einen längeren Zeitraum einbetten. Wenn das gut gemacht wird, entwickelt sich ein Live-Format zu einer eigenen Medienmarke. Selbst wenn Du sie nicht selber als Marke präsentierst, machen das andere: Weil die Leute auf Deinem Live-Event ihre Handys rausholen, filmen und fotografieren, das wiederum posten. Events sind so sehr digital geworden, obwohl man sich noch in der echten Welt trifft. Es gibt ein gewisses Bedürfnis, sich Face-to-Face auszutauschen. Darauf hat man wochenlang, monatelang digital hingearbeitet. Das gilt nicht nur für das B2B Digitalmarketing, sondern auch für andere Bereiche. Mein Lieblingsbeispiel ist Karl May – es gibt Bücher, Hörspiele, Filme. Du müsstest nicht in eine Freilichtbühne gehen, wo es vielleicht regnet, und dir ,Unter Geiern‘ angucken. Trotzdem werden in Bad Segeberg mit den Karl May Spielen jedes Jahr Besucherrekorde aufgestellt. Warum? Weil ein solches Event den eigenen gleichförmigen Alltag sprengt. Beim OMR Festival machen wir also Karl May fürs digitale Marketing (lacht).
Wirkung ist ein komplexer Prozess, der durch das Zusammenspiel aus Menschen, Marken, Medien, Botschaften und dem Faktor Zeit entsteht. Wir schaffen eine ständig wachsende Datenbasis, die diese Faktoren berücksichtigt und dadurch kurzfristige und langfristige Wirkung und damit Markenerfolg planbar macht.
Wir beziehen sämtliche Marken, Medien, Menschentypen in die GIK-Studien ein. Nur so bekommt man das „Big Picture“. Wir machen das vollkommen transparent, teilen unsere Daten sogar in Rohdatenformaten, damit Marken eigenständig damit arbeiten können oder die Analytiker ihres Vertrauens diese einsetzen können. Das ist einzigartig am deutschen Markt, aber verdammt wichtig, um die Transparenz in die Customer Journey zu bringen. Unser Vorgehen zahlt sich aus: Zu unseren Lizenznehmern gehören sämtliche große Agenturen und Digital Pure Players, die die Güte unserer Daten für ihr Business schätzen.
Catherin Anne Hiller, Head of Research & Consulting und CEO der GIK
Print war als Kanal lange Zeit weniger attraktiv und wurde nicht mehr so richtig beachtet von vielen Digitalfirmen. Ich beobachte, dass einige dieser Unternehmen wieder Print ausprobieren oder auch ganz dezidiert darüber ihre Marke aufbauen. Darunter sind typische Facebook- oder Google Pure-Kunden. Dass die jetzt in Print werben liegt auch daran, dass Digitalplattformen im Vergleich sehr teuer geworden sind.
Der Preis ist nur ein Argument. Wenn man wie wir die gesamten Datensätze, die über die Jahre angewachsen sind, analysiert, zeigt sich, dass man am besten im Mediamix fährt. Weil Kontakte in verschiedenen Medien nicht einfach austauschbar sind – erst recht nicht beim Markenaufbau. Ein Kontakt in Print wirkt anders als einer in TV, und einer in TV anders als Digital. Das spüren einige Marken inzwischen schmerzlich und planen um. Vor 20 Jahren waren noch 60 Prozent der Menschen in Deutschland davon überzeugt, dass eine Marke besser ist, als eine No-Name Marke. Heute sind es nur noch 30 Prozent, die das glauben – darunter sind übrigens häufig junge Männer. Eine dramatische Entwicklung, der gute Marketers entgegenwirken werden, sofern sie langfristige Ziele verfolgen dürfen.
Ich denke, das ist auch eine Frage der Unternehmensgröße. Es gibt erfolgreiche Firmen, die haben in den letzten Jahren nur online geworben. Vielleicht sogar nur auf Instagram oder mittels SEO. Vieles unterhalb von 100 Millionen Euro Umsatz kann man eben auf die verschiedenste Art und Weise „zusammenbauen“. Aber wenn es dann mal richtig groß wird oder du ein Produkt hast, das mehrere 100 Millionen Euro Umsatz macht, liegst Du vermutlich eher mit deiner Einschätzung richtig.
Das trifft es genau. Wenn Du hoch hinauswillst, kommst Du um einen Mix irgendwann nicht mehr rum. Ich persönlich würde dabei auf eine gewisse Reichweite achten. Botschaften, die keiner sieht oder hört, können nicht wirken.
Für bestimmte Zielgruppen macht Podcast total viel Sinn. Ich bin ein großer Podcast-Enthusiast und total voreingenommen. Wenn Du ein Produkt hast, das bestimmte Zielgruppen anspricht zwischen 20 und 50, die wohlhabend, agil und technikaffin sind, ist der Podcast ein super Instrument. Die Wirkung ist wahnsinnig stark, weil ein „Host“ vorliest. Die Podcast-Klickrate liegt bei fast 50 Prozent – jeder Zweite klickt als Reaktion auf einen Podcast-Aufruf. Die Klickrate von einem Banner im Internet liegt dagegen bei 0,1 Prozent – das ist nur jeder Tausendste.
Mit den Angeboten der Bauer Media Group erreichen wir nachhaltig mindestens jeden zweiten Deutschen. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis systematischer Bearbeitung unserer Märkte. Um unsere Content Experten bestmöglich bei ihrer Arbeit zu unterstützen, scouten wir datengestützt Bedürfnisse und Trends, erfüllen diese mit herausragenden Inhalten und liefern dann schlussendlich über den Wunschkanal der jeweiligen Zielgruppen aus. Der Lieblingskanal der Mehrheit ist bis dato übrigens Gedruckt, zum Anfassen und Blättern. Dieser ist nach wie vor so beliebt, dass die Menschen eine hohe Zahlungsbereitschaft dafür aufweisen. Aus Sicht des Markenaufbaus haben wir hier auch ein Heimspiel: Markenaufbau ist im Prinzip nichts anderes als eine gute Geschichte.
Wenn ein Influencer eine Marke in seiner eigens aufgebauten Community authenthisch integriert – und die Marke zulässt, dass das Image des Influencers Teil des Markenimages wird, ist das eine feine Sache. Wenn der Influencer dazu noch ein reichweitenstarker Celeb-Testimonial ist, umso besser. Bei der Auswahl des Testimonials hinsichtlich Positionierungsfit und Reichweite lohnt sich – je nach Ziel der Marke – ein genauer Blick.
Ich glaube nicht, dass das nur ein Hype ist. Vielleicht verschwinden einzelne Influencer, aber Influencer Marketing als Medienkanal bleibt. Es ist ja auch nicht alles daran total gehypt und megateuer. Klar kann man sich fragen, warum eine Person 250.000 Euro für einen einzelnen Post bekommt. Aber wie sonst erreichst du global mehrere Millionen Menschen? Wenn eine der Kardashians dein Produkt einbezieht, bekommst du eine Reichweite im zig Millionenbereich. Es gibt keinen anderen Kanal, mit dem das gelingt. Aber ich bin überzeugt, dass sich die Begriffe ändern werden. Wir werden irgendwann eher von Accounts, statt von Influencern sprechen. Hinter den meisten großen Influencern stecken mehr als nur einzelne Personen – teilweise sind es 20, 30 Mitarbeiter. Eine Account-Plattform ist mehr oder weniger die neue Zeitschrift oder die neue Webseite. Diese Accounts stehen für eine bestimmte Zielgruppe – manche sind eher europäisch, andere international ausgerichtet.
Interessant ist auch, wie die Menschen auf Influencer Marketing reagieren: Laut b4p trends ist es 77 Prozent wichtig, dass Influencer und Blogger Beiträge, die von Marken gesponsert werden, als solche kennzeichnen. Das fördert den Markenaufbau, der nichts anderes ist als nachhaltige, aufrichtige Beziehungsarbeit. Die basiert bekanntermaßen auf Vertrauen.
Die GIK Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung untersucht mit ihren Studien Zielgruppen und deren Mediennutzung sowie Konsumgewohnheiten und Markenpräferenzen. Dazu gehören unter anderem die b4p trends Wellen – das sind Erhebungen zu aktuellen Entwicklungen auf den Märkten. Die neueste Welle widmet sich dem Thema Markenvertrauen: Während Verbraucher Marken früher mit höherer Qualität gleichsetzten, hat sich diese Sicht heute radikal verändert. Der Hauptgrund liegt in dem Überangebot an Produkten, Marken scheinen für den Verbraucher dadurch beliebig zu werden. Unternehmen sollten sich deshalb stärker denn je darauf konzentrieren, ein für die Konsumenten nachhaltig relevantes Markenbild zu schaffen. Mehr zur dieser Erhebung und zu anderen b4p trends Themen auf https://gik.media/b4p-trends/
Früher habe ich in dieser Sporthalle mit einer Truppe immer Fußball gespielt. Eines Tages hieß es, wir könnten dort nicht mehr spielen, der Pächter war abgesprungen. Ich rief den Eigentümer an und habe gefragt: „Mensch, sagt mir bitte Bescheid, wenn es einen neuen Pächter gibt. Ich würde gerne wieder Hallenzeiten mieten für meine Kicker-Runde.“ Aber es fand sich partout keiner. Tja, jetzt bin ich Pächter. Viele Slots vermieten wir, ein paar nutzen wir selbst zum Fußballspielen. Und ich übe ab und an vor großen Veranstaltungen in der leeren Halle.
Philipp Westermeyer ist Gründer von OMR – einem 360° Medienunternehmen in Hamburg mit Fokus auf Digital Marketing und Tech. Das jährliche OMR Festival ist eine der größten digital Konferenzen in Europa, mit über 50.000 Besuchern, internationalen Stars und hochrangigen Führungskräften aus großen europäischen und namenhaften internationalen Unternehmen.
Philipp Westermeyer von Ramp 106 bekommt am 16. September den renommierten Hamburger Gründerpreis in der Kategorie „Aufsteiger“ verliehen.
Neben dem Festival veröffentlicht OMR täglich Artikel über die digitale Branche auf omr.com. Außerdem produzieren Philipp und das OMR Team den OMR Podcast mit wöchentlich 40.000 Hörern, die größte Jobbörse der Branche, tiefe Analysen und Leitfäden in Form von Reports sowie weitere thematische Spezial-Events.
Catherin Anne Hiller, Kerstin Walker und der Journalist Andreas Wrede haben Philipp Westermeyer im Hamburger Schanzenviertel bei den OMRs getroffen.