Lieber Rolf, die letzte Zeit war für uns alle prägend – sowohl für jeden Einzelnen als auch als Gesellschaft. Welche veränderten Verhaltensweisen konntet Ihr in den letzten Monaten in Bezug auf die Mediennutzung feststellen?
„Ich würde vorschlagen wir machen eine kleine Zeitreise, gehen ein paar Monate zurück und versuchen uns in unser früheres Ich hinein zu versetzen. Wir alle erinnern uns an den März 2020, als sich unser aller Leben schlagartig verändert hat. Abstand. Soziale Kontakte auf ein Minimum begrenzen. Solidarität.
In der ersten Lockdown-Phase haben wir einen starken Anstieg des Medienkonsums beobachtet. Die Nachrichten wurden nahezu permanent verfolgt und das Bedürfnis, die aktuellen Geschehnisse und Entwicklungen mitzubekommen, war sehr groß. Viele hatten zudem aufgrund des „Stay at home-Spirits“ mehr Zeit, was dem Konsum von Unterhaltungsmedien einen regelrechten Push gegeben hat.
Nach etlichen weiteren Monaten ohne Aussicht auf ein Ende der Pandemie schlug die Stimmung und auch das Mediennutzungsverhalten unserer Befragten um: Der Nachrichtenkonsum ging zurück, der Eskapismus und der Wunsch nach Ablenkung und positiven Nachrichten wuchs. Dieses Bedürfnis haben wir mit vielen unsere Titel gestillt, weshalb der Konsum unserer Unterhaltungsmedien weiterhin auf einem hohen Level blieb. Über die Hälfte hatten das Gefühl viel Freizeit zu haben. 28 % der Befragten gaben an mehr zu lesen als vorher.
Nach den stufenweisen Lockerungen kamen nach und nach die Wiederaufnahme von Freizeitaktivitäten und Verpflichtungen, was die Frequenz des Medienkonsums insbesondere bei der berufstätigen Leserschaft wieder sinken ließ.“
Heißt das also, wir sind nach den Teilweise-Lockerungen wieder am Ausgangspunkt angelangt? Oder haben sich die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser nachhaltig verändert?
„Wir sind in keinem Fall wieder am Ausgangspunkt. Ich denke, wir alle haben uns in den letzten Monaten weiterentwickelt – so auch unsere Leserinnen und Leser bzw. Userinnen und User. Viele unserer Befragten beabsichtigen, neu erworbene Muster und Verhaltensweisen in der Zukunft bewusst beizubehalten. Dazu gehörte z.B. der Vorsatz, mehr Bücher zu lesen, die Entscheidung das Streaming-Abo zu behalten oder der Entschluss, Nachrichten auch in Zukunft intensiver und regelmäßiger zu verfolgen, um sich über das Tagesgeschehen zu informieren. Aber eben auch: Magazine und Zeitschriften noch bewusster und intensiver zu lesen, sich mit Inspiration und Unterhaltung eine Auszeit zu gönnen und zu entschleunigen.“
Begriffe wie Auszeit oder Entschleunigung kommen uns nicht als erstes in den Sinn, wenn wir an die Flut an Daten und Informationen denken, denen jeder von uns mittlerweile immer und überall ausgesetzt ist. Unsere Welt ist schnelllebiger und digitaler geworden – welche Rolle kommt da den klassischen Printmedien zu?
„Insbesondere im Zusammenhang mit der Sehnsucht nach Abwechslung und einer erholsamen Auszeit vom Alltagsstress, hat die Mehrheit unserer Testgruppe zentrale Vorteile beim Lesen von analogem Content, also Printzeitschriften, wahrgenommen. Ein zentraler Punkt war hier die Haptik: Ich kann eine gedruckte Zeitschrift richtig in die Hand nehmen, in Ruhe darin Blättern und mir bewusst Zeit dafür nehmen – ohne Multitasking, Double Screening und Co. Insbesondere in der Corona-Zeit haben Leserinnen und Leser das noch mehr zu schätzen gewusst. Zeitschriften wurden zu einem sicheren Ort vor permanenter Reizüberflutung und schenkten einen Moment der Selbstfürsorge. Diese bewusste und intensive Auseinandersetzung mit dem Medium Zeitschrift und den darin enthaltenen Inhalten, hat selbstverständlich auch eine positive Auswirkung auf die Werbewirkung von Anzeigen unser Partner.“