Einmal nach oben

Kerstin Walkert
Kerstin Walker, veröffentlicht am 6. Juli 2020
Manager Corporate Communications / redaktionelle Leitung Bauer Media Blog

Seit Monaten wirken die Corona Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen in vielen Unternehmen als Beschleuniger für längst anstehende Entscheidungen. Bauer Media trennte sich in mehreren Ländern von seinem Publishing-Geschäft. Trotzdem spricht COO Veit Dengler in einem aktuellen Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) davon, Bauer habe eine gute Krise. „Wie kann das angehen?“, wollen wir wissen und haben Veit um ein Gespräch gebeten. Sein Kalender ist voll, jeder Tag eng getaktet. Einen Termin zu bekommen, ist nicht einfach. Wir nutzen die Chance, und fangen den Bauer-COO früh morgens vor einem der Fahrstühle im Foyer am Hamburger Standort ab. Während der Fahrt in den achten Stock bringt Veit ein paar wichtige Dinge auf den Punkt.

Wegen der Abstandsregelungen dürfen die Fahrstühle bei Bauer Media in der Burchardstraße zurzeit nur zu zweit genutzt werden: Eine perfekte Gelegenheit, um bei der Fahrt nach oben in den achten Stock ungestört mit Veit Dengler, COO der Bauer Media Group, ins Gespräch zu kommen.

Veit, guten Morgen. Du hast gerade ein Interview mit der dpa geführt. Einiges würden wir gern vertiefen. Du sagst, „Bauer hat eine gute Krise“ – Was meinst Du damit?

Ich will die Schwere und das Ausmaß der Corona Krise keinesfalls kleinreden. Die Pandemie ist für viele zu einer Tragödie geworden. Auch weiß keiner von uns, mit welchen wirtschaftlichen Folgen wir rechnen müssen. Aber wir nehmen auch viel Positives aus dieser Krise mit: Bei Bauer waren wir in der Regel immer einen Schritt voraus und haben entschlossen reagiert. Es ist uns beispielsweise gelungen, dass bereits Ende März fast neunzig Prozent unserer Mitarbeiter*innen weltweit im Home-Office arbeiten konnten. Hätte man mir das Anfang des Jahres erzählt, ich hätte es wahrscheinlich nicht geglaubt. Doch es hat funktioniert, und zwar richtig gut! Gleichzeitig denken wir in ganz neue Richtungen, um die wirtschaftlichen Folgen von Corona bestmöglich abzufedern. Wir fokussieren uns. Damit verbunden waren und sind schwierige Entscheidungen. Zum Beispiel unser Rückzug im Publishing-Geschäft in Neuseeland und Australien. Es bedeutet andererseits aber auch, dass wir Chancen nutzen, um unser Geschäft auszubauen.

Was macht Dich so sicher, dass das gelingen wird?

Wir haben ein kerngesundes Unternehmen in einer starken wirtschaftlichen Position. Für mich besteht kein Zweifel, dass wir mindestens genauso erfolgreich aus der Krise herausgehen, wie wir hineingegangen sind. Bauer wandelt sich in ein Multi-Business-Unternehmen. An dieser Strategie halten wir fest, auch und gerade jetzt in der Krise. Mit unseren vier Geschäftsbereichen Publishing, Audio, OCP und SME Services verteilt über mehrere Länder sind wir gut aufgestellt und weniger krisenanfällig als manch anderer.

Welche Chancen siehst Du für Bauer Media?

Seit fünf Generationen besteht Bauer als familiengeführtes Unternehmen. Wir bestimmen unseren Kurs selbst – und werden immer dann, wenn wir es für richtig halten, in Wachstum investieren. Und zwar dort, wo unsere Stärken liegen.

Gilt das für alle Geschäftsbereiche, auch für Publishing, wo es zuletzt eher Verkäufe und Schließungen statt Investitionen gab?

Wir glauben an Publishing. Es ist das Rückgrat unseres Unternehmens. Klar, wir müssen hier mit negativen Folgen der Krise rechnen. Magazinverlage kämpfen seit Jahren mit sinkenden Auflagen und rückläufigen Werbeeinnahmen. Corona beschleunigt diesen Prozess. Wir gehen nicht davon aus, dass die Nachfrage der Leser*innen sowie der Werbekunden auf Vorkrisenniveau zurückkehrt – und darauf bereiten wir uns gut vor, indem wir unser Portfolio sehr genau prüfen und wo nötig anpassen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch investieren, wenn sich gute Chancen ergeben – wie zum Beispiel TeleCableSat in Frankreich letztes Jahr.

Was muss sich verändern, damit Publishing auch nach der Krise erfolgreich ist?

Die Krise wird eine Konsolidierung notwendig machen. Dafür müssen die kartellrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Lass mich ein Beispiel geben: Zeitungen und Zeitschriften konkurrieren heute nicht mehr allein untereinander, sondern vor allem mit neuen Medien. Ein Marktanteil von 50 Prozent und mehr in einer bestimmten Zeitschriftenkategorie ist nicht mit Marktbeherrschung gleichzusetzen. In Wahrheit stellt das nur einen kleinen Anteil am Gesamtkuchen dar. Deswegen muss die Auslegung des Kartellrechts den Weg dafür frei machen, dass sich Verlage zusammenschließen.

Du hast auch erwähnt, dass die Krise in vielen Bereichen als Treiber wirkt. Unsere Arbeitsweisen wurden teilweise auf den Kopf gestellt, wir haben vieles zum ersten Mal und ganz anders als sonst gemacht. Wir fahren gerade am siebenten Stock vorbei, wo die Kolleg*innen von Human Resources derzeit neue Wege der Zusammenarbeit für Bauer Media gestalten. Was ändert sich?

Ganz sicher ziemlich viel. Wir nutzen die Erkenntnisse der letzten Wochen, um unsere Routinen zu überdenken und mit kreativen und innovativen Ideen unseren Arbeitsplatz neu zu gestalten. Wir denken darüber nach, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten wollen und haben Initiativen zu flexiblem Arbeiten gestartet. Dieser Prozess ist mitreißend, spannend und für Bauer fast schon ein bisschen revolutionär. Die Welt, unsere Branche und auch die Bauer Media Group werden nach Corona eine andere sein. Der Begriff der „neuen Normalität“ wurde längst zum geflügelten Wort. Wie wir diese leben, liegt an uns. Bei Bauer sind wir mittendrin im Gestaltungsprozess. Veränderung liegt in unserer DNA. Dass sie so umfassend und teilweise intensiv ist, haben auch wir so nicht erwartet.

Zur Person

Schnell, beweglich, effizient: Wer in der Hamburger Innenstadt um den Meßberg herum unterwegs ist, den überholt Veit Dengler auf dem Weg ins Bauer Headquarter vielleicht fast unbemerkt auf dem E-Scooter. Der gebürtige Grazer besitzt Abschlüsse der Kennedy School of Government der Harvard University und der Wirtschaftsuniversität Wien. Er schrieb als Reporter im Osteuropa-Büro des Time Magazine, verantwortete das Osteuropa-Geschäft von Dell und war vier Jahre CEO der NZZ-Mediengruppe, bevor er zu Bauer Media Group wechselte.

Sie haben Rückfragen? Melden Sie sich gern bei Imke Weiland.

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